Neue Ansätze erleichtern die Sozialarbeit in Mazedonien

In den Ländern des westlichen Balkans schaffen es viele Gemeinden nicht, ihre sozialen Dienste für alle Menschen gleichermaßen zugänglich zu machen. In der mazedonischen Stadt Tetovo bringt ein mobiles Beratungsteam die Hilfe nun dorthin, wo sie benötigt wird.

Ein entzündetes Knie, zwei schmerzende Rücken, ein verdorbener Magen, zweimal Sodbrennen, eine Tetanusimpfung und darüber hinaus noch all die vielen Menschen, die wegen ihres Bluthochdrucks behandelt werden müssen – es gibt viel zu tun für den Arzt Arif Pini. Er ist in einer Roma-Siedlung am Rande der mazedonischen Stadt Tetovo unterwegs und versorgt dort Bewohnerinnen und Bewohner, die medizinische Hilfe brauchen.

Arif Pini ist Teil eines mobilen Beratungsteams, an dem die Nichtregierungsorganisation Sonce beteiligt ist. Sonce heißt auf Deutsche Sonne, und die Organisation kümmert sich in Mazedonien vor allem um Roma – um eine Bevölkerungsgruppe, die in vielen westlichen Balkanländern diskriminiert und an den Rand der Gesellschaft gedrängt wird. Arif Pini hat diese Diskriminierung am eigenen Leib erfahren. Als einziger Absolvent seines Jahrgangs wurde er vom mazedonischen Staat nach dem Medizinstudium nicht zur Facharztausbildung zugelassen. „Weil ich Rom bin“, sagt er. „Internist konnte ich zuletzt nur durch ein Stipendium aus dem Ausland werden.“ Seit drei Jahren fahren Arif, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Sonce und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Stadt einmal in der Woche gemeinsam hinaus zu Roma-Familien, um sie vor Ort zu beraten und zu unterstützen, zum Beispiel bei Sozialhilfeanträgen, Schulanmeldungen oder gesundheitlichen Problemen.

Die Klientel – ist arm. Eine höhere Schulbildung, einen sicheren Job oder genug Geld zum Leben hat hier kaum jemand. Auch von der Gesundheitsversorgung sind die meisten Roma ausgeschlossen. „Die meisten suchen erst dann ärztliche Hilfe, wenn es eigentlich zu spät ist“, sagt Arif Pini. Viele Roma seien nicht krankenversichert, ein Arztbesuch ist zu teuer. Ein Problem ist aber auch, dass es in Mazedonien viel zu wenig Ärztinnen und Ärzte gibt. Sie sind ausgewandert in Länder, in denen sie besser verdienen.

Die Lösung: eine Partnerschaft zwischen Stadtverwaltung und NGO

Der Stadtverwaltung von Tetovo ist dieses Problem schon lange bekannt. Alle Ideen, wie sich die staatlichen Gesundheitsdienstleistungen besser auf die Bedürfnisse sozial benachteiligter Gruppen zuschneiden ließen, scheiterten immer wieder an zu wenig Geld und zu wenig Personal. Einen Schritt weitergekommen sind Ahmet Quazimi von der Stadtverwaltung Tetovo: „Endlich können wir die Hilfe dort anbieten, wo sie benötigt wird.“ sie, als das GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ auf den Plan trat. Das Projekt fördert innovative Ansätze von Sozialarbeit, um in den Ländern des westlichen Balkans die Lebensbedingungen von Menschen aus sozial benachteiligten Gruppen zu verbessern.

Einer dieser neuen Ansätze liegt in der Zusammenarbeit von Stadtverwaltungen und Nichtregierungsorganisationen: Die Nichtregierungsorganisation unterstützt die städtische Sozialarbeit und übernimmt Dienstleistungen, zu denen die Städte selbst nicht in der Lage sind. In Tetovo hat diese Idee zu einer Kooperation zwischen Verwaltung und Sonce geführt, die vom GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ unterstützt wird. Gemeinsam identifizierte man Stadtteile mit besonders bedürftiger Bevölkerung und entwickelte einen Plan, um diese Menschen besser zu erreichen – auch mit ärztlicher Versorgung. Die Partner gründeten mobile Beratungsteams, die in die ausgewählten Stadtteile fahren und die Menschen direkt vor Ort beraten oder medizinisch behandeln. Der Arzt Arif Pini wurde Teil eines solchen Teams. „

Wir warten nicht darauf, dass die Menschen zum Arzt gehen. Wir bringen den Arzt zu ihnen“

Für Ahmet Quazimi von der Stadtverwaltung war das ein großer Erfolg: „Durch die Kooperation mit Sonce konnten wir die Hilfe endlich dort anbieten, wo sie benötigt wurde. Wenn die Menschen nicht selbst zum Arzt gehen oder keinen Arzt in der Nähe haben, dann bringen wir eben den Arzt zu ihnen.“

Doch auch mit dem neuen Ansatz haben sich die Probleme nicht in Luft aufgelöst. „Viele Menschen haben Vorbehalte oder sogar Angst, sich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt und der NGO anzuvertrauen – selbst, wenn sie zu ihnen nach Hause kommen“, sagt Quazimi. Für die Stadtverwaltung Tetovo ist es daher ein großes Glück, dass Arif Pini dabei ist. Weil er selbst Rom ist, sehen ihn seine Patientinnen und Patienten als einen von ihnen an.

„Arif Pini ist unser Eisbrecher“, sagt Biljana Dijanisieva aus dem GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“, die die Kooperation zwischen der Stadtverwaltung und Sonce mit aufgebaut hat. „Er schafft Vertrauen und Zugang. Mit seiner Hilfe können wir endlich alle Familien in Tetovo erreichen.“ Und damit den Anspruch des GIZ-Projekts verwirklichen, die sozialen Rechte für benachteiligte Bevölkerungsgruppen durchzusetzen – in diesem Fall für die Roma.

 

Text: FLMH | Fotos: ©BENNY GOLM