Social Business ist mehr als ein Unternehmen

Social Businesses sollen nicht nur Gewinn erwirtschaften, sondern auch dazu beitragen, gesellschaftliche Probleme zu lösen. Dass eine Nichtregierungsorganisation ein solches Unternehmen gründet, ist insofern folgerichtig. 

„Ich hätte nie gedacht, dass ich mal ein Unternehmen gründe.“ Belgiyzare Muharremi, die Leiterin der kosovarischen Nichtregierungsorganisation Open Doors hält kurz inne. „Aber wenn man bedenkt, dass es uns immer auch darum ging, Frauen finanziell zu stärken, ist es eigentlich nur folgerichtig.“ Open Doors ist eine Hilfsorganisation, die sich seit 1999 im Kosovo um kriegstraumatisierte Frauen kümmert und über die Nothilfe hinaus psychosoziale Hilfe leistet und Aufklärungsarbeit über Frauenrechte anbietet. Im Kern hat sich also immer alles darum gedreht, das Leben von Frauen zu schützen und ihre Situation zu verbessern – und das will Open Doors nun auch mit dem Catering-Unternehmen eShpis tun. Die Gründung, so Muharremi, sei daher eine schlüssige Entwicklung. „Wenn die Frauen nicht auch finanziell unabhängig sind, dann können wir uns unsere Arbeit sparen.“

Seit einigen Wochen arbeiten in Pristina also acht Angestellte für eShpis, allesamt Frauen, die zuvor arbeitslos waren. Es ist beileibe nicht so, dass jede, die in Pristina arbeiten will, auch eine Arbeit findet. Nur ein minimaler Bruchteil derjenigen, die in Kosovo zu den vulnerablen Gruppen gehören, erlangt auf dem regulären Arbeitsmarkt einen Job. Benachteiligt sind vor allem die Roma-Minderheit, Kriegsflüchtlinge, Rückkehrer – und Frauen.

Aus einer guten Idee wird ein Business

„Die Idee für eShpis wurde in unseren Workshops geboren, die wir hier regelmäßig mit Frauen durchführen“, erzählt Muharremi. Die Teilnehmerinnen – viele von ihnen sind aus kosovarischen Dörfern nach Pristina gekommen – hätten in den Pausen in der Küche der NGO Open Doors gemeinsam gekocht und dabei festgestellt, dass sie das richtig gut können. Und dass es ihnen Spaß macht. „Das war noch kein konkretes Projekt“, sagt Muharremi. „Bis die GIZ auf uns aufmerksam wurde.“

Die GIZ, das ist in diesem Fall das Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“, das sich in den Ländern des westlichen Balkans dafür einsetzt, die Lebensumstände von Menschen aus sozial benachteiligten Gruppen zu verbessern. Das GIZ-Projekt brachte Open Doors mit FIQ zusammen, einer Stiftung, die auf die Entwicklung sogenannter Social Businesses spezialisiert ist – und damit im Kosovo Pionierarbeit betreibt.

„Wir wollten ein erfolgreiches Modell schaffen, das sich gut übertragen lässt. Ein gutes Modell, von dem man lernen kann“, erklärt FIQ-Mitarbeiter Kushtrim Puka. Man habe sich zusammengesetzt und Ideen ausgearbeitet. Vor allem aber hat FIQ diese Ideen in einem klassischen Unternehmensgründungsprozess hin- und hergewendet, durchgeknetet, sie mit Marktanalysen und Machbarkeitsstudien unterfüttert und schließlich mit einer Marketingstrategie und einem Businessplan ausgestattet.

Damit kennt Puka sich aus, er hat früher in der Privatwirtschaft gearbeitet. „Auch dort habe ich schon Unternehmen gegründet“, erzählt er. Aber dass er nun sein Business-Know-how für FIQ mit etwas Sinnvollem verbinden kann, „das ist perfekt“. „Für mich war das besonders wichtig“, sagt Belgiyzare Muharremi. „Ich bin Wirtschaftswissenschaftlerin. Ich wollte die Unterstützung von FIQ, ich wollte einen soliden Businessplan, damit wir keine Fehler machen. Schließlich bin ich den Frauen, unserer Organisation und unseren Spenderinnen gegenüber verpflichtet.“ Aus der Zusammenarbeit von Open Doors, dem GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ und FIQ ging so das Social Business eShpis hervor.

Ein Social Business kann vieles verändern

Das Prinzip eines Social Business ist es, einen Teil des Profits an das Unternehmen zurückzuführen und weitere Investitionen zu fördern. Den anderen Teil des Geldes setzt die NGO Open Doors dazu ein, noch mehr Frauen zu erreichen. Nach einem ähnlichen Modell verfahren auch andere Social Businesses – aber es geht um noch viel mehr. „Schaut euch mal die Frauen an, die hier arbeiten!“, ruft FIQ-Mitarbeiter Puka. „Wir haben nicht nur ein erfolgversprechendes Unternehmen gegründet. Die Frauen hier, das waren früher alles schüchterne Personen, von denen keine in der Öffentlichkeit stehen wollte. Und jetzt?“

Jetzt arbeiten bei eShpis acht selbstbewusste Frauen. „Ich kann die Schulbücher für meine Kinder selbst bezahlen“, erzählt eine der Arbeiterinnen zufrieden. „Ich habe Geld genug für unsere Kleidung und sogar für Medikamente, wenn wir sie brauchen. Ganz ehrlich? Seit ich für mich alleine sorgen kann, hat mein Mann viel mehr Respekt vor mir. Seitdem fragt er mich nach meiner Meinung, wenn Entscheidungen anstehen.“

Lokale Wirtschaftsförderung, alternative Finanzierungsmodelle für zivilgesellschaftliche Institutionen und die Förderung benachteiligter Menschen – all das sind gute Gründe für das GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“, das auch in anderen Balkanländern den Aufbau von Social Businesses fördert. In Kukes in Albanien soll eine Kartoffelverarbeitungsfabrik entstehen für die Herstellung von Pommes und Chips. Knapp 200 Kilometer südlich, in Elbasan, ist geplant, altes Speiseöl aus Restaurants zu Bio-Diesel zu verarbeiten. In jedem dieser Projekte profitieren die beteiligten Organisationen – vor allem aber die Menschen, die hier Arbeit finden. Denn ein Job in einem Social Business kann auch ein Sprungbrett sein, um es auf den regulären Arbeitsmarkt zu schaffen.

Im Bagel-Shop in der serbischen Hauptstadt Belgrad beispielsweise, der 2015 von einer Nichtregierungsorganisation unter anderem mit Unterstützung der GIZ gegründet wurde, die mit den Erlösen ihren Kampf gegen den Menschenhandel und für weibliche Opfer von häuslicher Gewalt finanzieren will, haben bislang 25 Frauen – alles selbst Gewaltopfer – gearbeitet. Fast jede dieser Frauen, die hier ausgebildet wurde, hat im Anschluss einen neuen Job gefunden.

Damit die Erfahrungen, die in Belgrad gesammelt wurden, auch in Pristina genutzt werden können, fördert das GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ nicht nur die Social Businesses selbst, sondern auch gegenseitige Begegnungen und den Erfahrungsaustausch. „Wir haben richtig viel von den Kolleginnen in Belgrad gelernt“, erzählt Belgiyzare Muharremi von eShpis. Ohne Unterstützung durch das GIZ-Projekt wäre weder die Reise noch das neuen Unternehmen finanzierbar gewesen.

 

Text: FLMH | Fotos: ©WOLFGANG MÜLLER