Aufklärung ist der Schlüssel zu Veränderung

Damit die Roma in der südkosovarischen Stadt Prizren stärker für ihre Rechte eintreten, wird viel Aufklärungsarbeit geleistet. Eine neu gegründete Arbeitsgruppe der Stadt geht dabei auch schon mal unkonventionelle Wege.

Osman Osmani ist verärgert. Gerade haben ihm Eltern erzählt, dass ihr Sohn in der Schule vom Lehrer getadelt wurde, weil er im Unterricht zu viele Fragen gestellt hat. „Warum haben die Lehrer keine Geduld?“, schimpft er. „Kinder müssen neugierig sein, wenn sie etwas lernen sollen. Hier aber wollen die meisten Lehrer nur, dass es im Unterricht ruhig ist. Das ist doch keine Bildung!“

Eigentlich könnte Osman Osmani ziemlich zufrieden sein. Es ist nämlich auch sein Verdienst, dass in seiner Gemeinde so viele Kinder zur Schule gehen. Osmani ist Leiter der Roma-Organisation Nevo Koncepti, die in der südkovosarischen Stadt Prizren die Lebensverhältnisse von Roma-Familien verbessern will. Osmani und sein Team setzen dabei vor allem auf Bildung und lassen nichts unversucht, damit möglichst viele Kinder aus Roma-Familien die Schule besuchen können. Deswegen ärgert es ihn besonders, wenn er von Lehrkräften hört, die sich nicht engagieren.

Viele Menschen aus der Roma-Gemeinschaft kennen ihre Rechte nicht

Das größte Problem sind für Osman Osmani allerdings nicht unmotivierte Lehrerinnen und Lehrer, sondern Eltern, die ihre Kinder gar nicht erst zur Schule schicken. Vor allem Rückkehrer-Familien, von denen es in Prizren etliche gibt, melden ihre Kinder häufig nicht zur Schule an.

Oft sind es Dokumente, an denen es scheitert. Da fehlen Zeugnishefte aus der Zeit in Deutschland, oder ihre Übersetzung ist zu teuer. Dabei gibt es ein Gesetz, wonach jedes Kind Anrecht auf einen Platz in der nächstgelegenen Schule hat. Die Dokumente, die für die Anmeldung notwendig sind, dürfen die Eltern nachreichen, oder die Kinder können den Angaben der Eltern entsprechend ohne Dokumente eingestuft werden. Die Wenigsten in Prizren aber kennen dieses Gesetz.

Eine neue Arbeitsgruppe leistet Aufklärungsarbeit

„Vor allem in den Roma-Gemeinschaften sind viele total unwissend, was ihre sozialen Rechte angeht“, sagt Blerina Bytyqi, Sozialarbeiterin bei Nevo Koncepti. „Es gibt Hilfe und Angebote vom Staat, aber die Menschen haben keine Ahnung, dass sie ein Anrecht darauf haben.“ So wie auf die vereinfachte Schulanmeldung.

Nevo Koncepti will das ändern und hat zu diesem Zweck zusammen mit der Stadtverwaltung von Prizren und dem GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ eine Arbeitsgruppe für das „Awareness Raising“ gegründet: Jetzt klären die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter die Menschen aus der Roma-Gemeinschaft in Prizren in speziellen Workshops über ihre sozialen Rechte auf. Gleichzeitig engagieren sie sich dafür, den Rückkehrerinnen und Rückkehrern die Integration in die Gesellschaft leichter zu machen – zum Beispiel durch gemeinsame Ausflüge von Roma- und anderen Kindern aus Prizren.

Bildung im Radio

Was besonders gut ankommt, sind die Radiosendungen des Teams bei „Radio Romano Avazo“, dem lokalen Roma-Radiosender. Blerina Bytyqi und die anderen aus der Arbeitsgruppe erzählen den Hörerinnen und Hörern, welche Ansprüche sie haben, zum Beispiel auf finanzielle Hilfen, gesundheitliche Dienstleistungen oder Bildungsangebote. Und sie geben Tipps, wie diese Ansprüche geltend gemacht werden können. Die Sendungen werden auf Albanisch und Romanes gehalten und auch online als Podcast angeboten.

„Das Radioprogramm ist genau, was wir brauchen“

Einer freut sich über die Radioauftritte der Arbeitsgruppe ganz besonders: Nexhip Menekshe, Leiter des Radiosenders und Aktivist mit Leib und Seele. Er setzt seit vielen Jahren auf Kulturarbeit, um über die Diskriminierung von Roma aufzuklären, und organisiert dafür auch mal einen Theaterabend oder ein Kurzfilmfestival. „Ein Radioprogramm, das die Menschen in unserer Gemeinde motiviert, für sich und ihre Rechte einzutreten, ist genau, was wir machen wollen.“

Auch Osman Osmani ist ein Fan der Radiosendungen. Auch, weil es darin häufig um das Thema Bildung geht. „Über das Radioprogramm erreichen wir unglaublich viele Eltern. Wir können an sie appellieren, die Schulbildung ihrer Kinder ernst zu nehmen, und ihnen Ängste nehmen vor den Terminen mit den Behörden.“ Diese Aufklärungsarbeit sei viel mehr wert als jede finanzielle Hilfe, findet er. „Das Wertvollste, was wir den Menschen mitgeben können, sind Wissen und Bildung. Sie sind der wahre Schlüssel zu Veränderung.“

 

Text: FLMH | Fotos: ©WOLFGANG MÜLLER