Niemand kann dir wegnehmen, was du einmal gelernt hast!

Asmir Husić hat Diskriminierung und Anfeindung erlebt, aber auch die Resignation vieler junger Roma, die von vornherein nicht viel vom Leben erwarten. Seine Devise „Tu was!“ und eine glückliche Begegnung mit der Nichtregierungsorganisation „Vermont“ haben dem jungen Mann nicht nur eine Perspektive eröffnet, sondern ihn auch zum Vorbild für andere junge Roma gemacht.

Asmir Husić wohnt noch immer mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder in einem Häuschen in der Kleinstadt Gornji Rahić, nicht weit von Brčko entfernt im jungen Staat Bosnien und Herzegowina. Asmir könnte inzwischen auch woanders wohnen, in einem eigenen Haus vielleicht. Aber er will noch ein Weilchen bei seinen Eltern und in Brčko bleiben. Denn er hat hier noch etwas zu tun.

Was Asmir in Brčko hält, ist sein Wunsch, der Nichtregierungsorganisation „Vermont“ etwas zurückzugeben von der Hilfe, die er selbst erfahren hat. Und die aus ihm, einem arbeitslosen Rom ohne Hoffnung, einen angehenden Jura-Studenten gemacht hat. Im Sommer wird Asmir 24 Jahre alt. Als er um die Jahrtausendwende in die Grundschule ging, war er dort das einzige Kind aus einer Roma-Familie. „Die Diskriminierung war hart“, erinnert sich Asmir. Und doch hatte er ein Ziel vor Augen. Als Asmir beschließt, nicht nur die Mittelschule, sondern anschließend auch ein Studium zu absolvieren, unterstützen ihn seine Eltern sofort. Dabei hätten sie, wäre Asmir arbeiten gegangen, das zusätzliche Einkommen gut gebrauchen können. Sein Vater hat sein halbes Leben als Karosserieschlosser gearbeitet, seine Diabetes hat ihn früh zum Rentner gemacht, und das Geld reicht kaum für das Nötigste.

Das typische Leben eines jungen Rom: ganz unten und arbeitslos

Es reichte auch nicht fürs Studium. Die Familie, die mit Mühe und Not die Kosten für eine Busfahrt ins 16 Kilometer entfernte Brčko aufbringt, konnte ein Studium einfach nicht finanzieren. Für Asmir brach eine Welt zusammen. Er wollte raus aus dem typischen Leben, das junge Roma in Bosnien und Herzegowina erwartet: schlechte Jobs, miese Arbeitsbedingungen oder Arbeitslosigkeit. Asmir versuchte, sich durchzuschlagen, doch als er eines Tages auch noch um seinen Lohn betrogen wurde, war er ganz unten angelangt, velor die Hoffnung, verfiel in Depressionen.

„So konnte es nicht weitergehen“, erzählt er heute. „Ich habe mir immer wieder gesagt: Tu was! Und das hat dann auch geklappt.“ 2015 lernt Asmir im Jugendzentrum der Stadt Brčko die Organisation Vermont kennen, die seit dem Ende des Bosnienkriegs Sozialarbeit für Binnenvertriebene, Zurückkehrende und vor allem Roma betreibt. „Ich wusste auf Anhieb, das ist es jetzt. Let’s go!“. Asmir lässt sich beraten, und es dauert nicht lange, bis er selbst zum Berater wird. Heute steht er mit dem mobilen „Info Help Desk“ der Organisation in der Stadt und klärt Roma über ihre Ansprüche und Rechte auf.

Die Idee mit den mobilen Info-Desks stammt vom GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“, das in den westlichen Balkan-Ländern daran arbeitet, Menschen aus sozial benachteiligten Gruppen zu stärken und ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Das Projekt unterstützt auch die Nichtregierungsorganisation Vermont, berät sie, bietet Workshops und Weiterbildungen an und trägt eben auch mit Ideen wie dem mobilen Info-Desk zu neuen Ansätzen bei.

Asmir hat eine Botschaft

Hinter so einem Beratungstisch steht Asmir nun und berät die Menschen in der Siedlung – darunter junge Roma und besonders Rückkehrerinnen und Rückkehrer – selbst aktiv zu werden und für ihre Community als Mediatorin oder Mediator tätig zu werden. Asmir geht auch dorthin, wo von staatlichen Behörden nie jemand erscheint, es sei denn die Polizei. Nach Prutače zum Beispiel, in eine Siedlung in seinem Heimatort, in der überwiegend Roma wohnen. Dort versucht er, Eltern davon zu überzeugen, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Langsam zeigt sich ein Erfolg: In seiner alten Grundschule, in der er noch der einzige Rom war, lernen heute bereits zwölf Kinder aus Roma-Familien.

„Wir Roma können viel erreichen, jeder von uns“, sagt Asmir. „Wir müssen es aber auch versuchen.“ Viele Roma, das sei seine Erfahrung, machten sich selbst klein und glaubten nicht an ihre Chancen. „Ich habe selbst erlebt, wie schwierig es ist, sich zu behaupten gegen die äußere und innere Diskriminierung. Ich weiß aber, dass wir es schaffen können, wenn wir wollen.“ Seine eigenen Ziele hat Asmir inzwischen höhergesteckt. Er will einen Master in Jura machen, und auch wenn der Weg dorthin über ein Fernstudium führt, glaubt er fest daran, dass er ein Stipendium für das reguläre Studium an der Universität in Tuzla erhalten wird. Noch arbeitet er für Vermont hinter dem Info-Desk des GIZ-Projekts „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ – aber er wird seinen eigenen Weg weitergehen. „Niemand kann dir wegnehmen, was du einmal gelernt hast“, sagt Asmir. „Das ist meine Botschaft an alle jungen Roma!“

 

 

Text: FLMH | Fotos: ©ZORANA MUŠIKIĆ