In Bosnien und Herzegowina unterstützt das GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ eine Nichtregierungsorganisation beim Aufbau und Betrieb eines Gewächshauses. Dass hier Gemüse und Salat gezogen wird, kommt nicht nur den Gärtnerinnen und ihren Familien zugute, sondern wirkt sich auch positiv auf die Arbeit der städtischen Sozialbehörden aus.
Draußen bedeckt Neuschnee den matschigen Boden, es ist ungewöhnlich kalt in diesem Februar, was den Leuten in Bijeljina im nordöstlichsten Zipfel von Bosnien und Herzegowina zu schaffen macht. Unter der neuen Verglasung eines Gewächshauses am Südrand der Stadt aber sprießt frisches Grün. Zwiebeln und Mangold werden hier angepflanzt, und seit neustem auch Salat, der Setzling für Setzling von Farzila Dzanić bewässert wird. In naher Zukunft wird diese Arbeit eine Bewässerungsanlage übernehmen, doch bis dahin wird sich Farzila um jede einzelne Pflanze kümmern.
Das Gewächshaus wird von der Nichtregierungsorganisation Otaharin betrieben, die 2005 gegründet wurde und sich zunächst vor allem um die Schulbildung von Roma-Kindern kümmerte. Wie in vielen westlichen Balkanländern sind Roma auch in Bosnien und Herzegowina an den Rand der Gesellschaft gedrängt und von wichtigen sozialen Dienstleistungen praktisch ausgeschlossen. Die rund 1.000 Roma in Bijeljina leben unter schwierigen Bedingungen und von den Nicht-Roma isoliert in der Stadt. Die allermeisten sind arbeitslos – in Bijeljina ist es für Roma so gut wie unmöglich, auf dem normalen Arbeitsmarkt einen Job zu bekommen.
Auch die Romni Farzila hat nie eine Arbeit gefunden, obwohl sie eine Ausbildung zur Friseurin abgeschlossen hat. Ihre Mutter hat dafür gesorgt, dass sie – im Gegensatz zu vielen anderen Romnija – die Schule abgeschlossen und anschließend eine richtige Ausbildung gemacht hat. Dennoch gab es keinen Job für Farzila. Bis Otaharin das Gewächshaus-Projekt mit Unterstützung des GIZ-Projekts „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ ins Leben rief. Das Projekt unterstützt in den Ländern des westlichen Balkans sozial benachteiligte Gruppen. In Bijeljina arbeitet das GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ vor allem mit der städtischen Sozialbehörde zusammen – und eben mit Otaharin.
„Ich will arbeiten und eigenes Geld verdienen“
Das Gewächshaus, das aus der Kooperation der NGO mit dem GIZ-Projekt entstanden ist, ist ein Katalysator. Auf längere Sicht werden hier bis zu 15 Arbeitsplätze geschaffen, allesamt für Romnija, die sich damit ein eigenes Auskommen und einen Platz in der Gesellschaft erarbeiten können. Farzila wurde gleich als Erste angestellt – sie war schon vorher ehrenamtlich bei Otaharin tätig. Dass sie jetzt endlich mit ihrer Arbeit Geld verdient, ist eine große Erleichterung für die 41-Jährige. „Meine Mutter hat immer gesagt, dass man arbeiten müsse um zu überleben. Oder heiraten“, sagt sie und lacht ein bisschen. „Ich bin verheiratet, sogar schon zum zweiten Mal. Aber ich will auch arbeiten für meinen Lebensunterhalt und für mich und meine Kinder eigenes Geld verdienen.“
Mit ihrer Hilfe werden nun im Gewächshaus von Otaharin gesunde Lebensmittel produziert, die den Speiseplan der chronisch unterversorgten und schlecht ernährten Roma-Familien bereichern. In den Schulungen und Kurz-Ausbildungen, die die neuen Gärtnerinnen erhalten, lernen sie viel über gesunde Ernährung und Grundkenntnisse in medizinischer Versorgung. Das alles nehmen sie nach ihrer Schicht in ihre Familien und Nachbarschaften mit. Für die Projektpartner Otaharin und das GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ übernehmen die Frauen damit auch eine soziale Vorbildfunktion. Das ist gut für die Roma-Gemeinden, aber auch gut für die Weiterentwicklung der städtischen Sozialbehörden.
Denn das Projekt wirkt in den Verwaltungsapparat hinein – sogar der Bürgermeister von Bijeljina unterstützt das Vorhaben. „Die städtischen Behörden sind auf unser Projekt aufmerksam geworden“, erzählt Dragan Joković, der Gründer und Direktor von Otaharin, „sie erkennen unsere Arbeit an und haben uns sogar das Grundstück für das Gewächshaus zur Verfügung gestellt.“ Damit ist das Vorhaben auch in den städtischen Strukturen verankert, was gut ist für die zukünftige Planung und auch für die weitere Verbesserung der Lebensbedingungen der Roma. „Das ist wichtig“, sagt Joković und erklärt: „Wir erledigen eine Aufgabe, die eigentlich der Staat erledigen müsste. So sollte es nicht sein. Aber wir arbeiten besser und preiswerter als die Regierungsorganisationen.“ Allerdings sei ein Teil seiner Arbeit eben auch, die Regierung bei der Übernahme oder mindestens bei der Finanzierung sozialer Dienstleistungen zu beraten. „Das wird noch seine Zeit dauern“, schätzt Joković. „Wir haben Ideen, wir haben Lösungen, wir machen ihre Arbeit – aber wir gewinnen sie auch als Partner.“ Dabei unterstützt ihn auch das GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“.
Text: FLMH | Fotos: ©ZORANA MUŠIKIĆ