Ein behüteter Ort für die Kinder von Elbasan

In der albanischen Stadt Elbasan kümmern sich Stadtverwaltung und lokale Nichtregierungsorganisationen gemeinschaftlich um den Schutz von Kindern. Ob in der offenen Beratungsstelle, bei mobilen Einsätzen oder in der gemeinsam betriebenen Kindertagesstätte – die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind immer im Einsatz für die Kinder und Familien der Stadt. Ein überregionaler Erfahrungsaustausch mit Kosovo hat die Arbeit noch einmal deutlich beeinflusst.

Auf einen ihrer neusten Fälle ist Nadire Kreka vom Vizebürgermeister der Stadt Elbasan höchstpersönlich aufmerksam gemacht worden. Während eines Abendessens in einem Restaurant war ihm ein Junge aufgefallen, der bettelnd von Tisch zu Tisch zog. Nadire Kreka leitet die Abteilung für Kinderschutz und Gleichberechtigung der zentralalbanischen Stadt Elbasan. Ihre Aufgabe ist es, vernachlässigten oder gefährdeten Kindern zu helfen. Kindern, die bettelnd durch Straßen und Geschäfte ziehen, Abfälle durchsuchen nach Dingen, die sie zu Geld machen können, oder einfach herumlungern, weil sich wegen der Armut zuhause niemand um sie kümmern kann. Davon gibt es in Elbasan so viele, dass sich die Stadtverwaltung – und damit auch der Vizebürgermeister – für ihren Schutz einsetzt.

Das gemeinsame Ziel: Die Kinder dauerhaft von der Straße holen

Um diese Kinder dauerhaft von der Straße zu holen, hat die Stadt in Zusammenarbeit mit einigen lokalen Nichtregierungsorganisationen eine kostenlose Kindertagesstätte eröffnet. Dort haben sie schon viele Kinder untergebracht, die hier essen, spielen und lernen können. Die meisten der Kinder blühen auf durch den geregelten Alltag und die Zuwendung, die sie erfahren.

Den Fall des Jungen im Restaurant wird Nadire Kreka mit in die „große Runde“ nehmen. So nennt sie die gemeinsamen interdisziplinären Treffen mit den Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung und der beteiligten Nichtregierungsorganisationen. „Groß“ ist die Runde nicht nur wegen der Personenanzahl, sondern vor allem, weil sie sich aus Menschen unterschiedlicher Ressorts und Disziplinen zusammensetzt – so wird sichergestellt, dass alle möglicherweise beteiligten Stellen in der Stadtverwaltung von den Belangen der Straßenkinder erfahren. „Wir bündeln unser Wissen und unsere Kräfte“, sagt Nadire Kreka, „dadurch sind wir viel effizienter geworden.“

Auf den Treffen besprechen sie aktuelle Fälle, schauen, welche Familien und Kinder akut Unterstützung benötigen, und entscheiden, wer welche Aufgaben übernimmt. Außerdem müssen die Einsätze der mobilen Einheiten geplant werden, die sich in der Stadt zu den Orten begeben, an denen sich die Kinder vorwiegend aufhalten. „Wir gehen direkt zu den Kindern“, erzählt Kreka. Nur so würde man sie auch erreichen. „Hier können wir Kontakt mit ihnen aufnehmen, mit ihnen reden und uns um sie kümmern.“ Mit ein wenig Glück treffen sie auch den Jungen, auf den der Vizebürgermeister sie aufmerksam gemacht hat. „Dann können wir auch nach seiner Familie schauen und herausfinden, wie wir sie unterstützen können.“ Am liebsten wäre es Kreka, wenn der Junge wieder zur Schule und nicht mehr zum Betteln ginge. „Das wäre ein Erfolg für uns“, sagt sie.

Die Tür der Kinderschutzabteilung steht immer offen

So wichtig diese mobilen Einsätze auch sind – ihr offenes Büro in der Stadt sei durch nichts zu ersetzen, erzählt Nadire Kreka. „Bei uns ist die Tür für die Familien von Elbasan immer offen. Jeden Tag kommen Eltern zu uns und fragen nach Rat oder Unterstützung für sich und ihre Kinder. Manche schauen aber auch nur vorbei, um ‚Hallo‘ zu sagen und kurz zu plaudern, so gut kennen sie uns inzwischen.“

Vor allem die Eltern der Kinder, die in ihrer Tagesstätte betreut werden, haben inzwischen einen richtig guten Draht zu Nadire Kreka und den anderen aus dem Team. So wie Tatjana Hida, eine 38-jährige Romni, deren Sohn in der Kindertagesstätte betreut wird. Diese liegt direkt gegenüber vom Büro der Kinderschutzabteilung, und wenn Tatjana Hida ihren Sohn morgens bringt, macht sie auf dem Rückweg ab und zu noch einen Abstecher zu Nadire Kreka. „Inzwischen traue ich mich, nach Unterstützung zu fragen, wenn es in unserer Familie mal wieder ein Problem gibt“, sagt sie. Früher wäre es für sie undenkbar gewesen, andere um Hilfe zu bitten. „Ich hätte auch gar nicht gewusst, an wen ich mich wenden soll. Aber zu den Menschen hier habe ich Vertrauen. Sie haben uns noch nie im Stich gelassen.“

Damit Kreka und ihre Kolleginnen und Kollegen ihre Arbeit erfolgreich und effizient fortführen können, werden sie vom GIZ-Projekt „Soziale Rechte vulnerabler Gruppen“ unterstützt. Das GIZ-Projekt setzt sich dafür ein, die Lebensverhältnisse gefährdeter Bevölkerungsgruppen im Westbalkan zu verbessern. Für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der lokalen Nichtregierungsorganisationen hat das GIZ-Projekt mehrere Weiterbildungen angeboten und sie in einem Austausch mit ähnlichen Organisationen im Nachbarland Kosovo zusammengebracht. „Oh, davon haben wir richtig viel gelernt“, begeistert sich Nadine Kreka noch immer. „Wie die Kolleginnen und Kollegen in Kosovo ihre Fälle identifizieren, wie sie diese kategorisieren und schließlich weiterbearbeiten, das hat uns noch mal einen ganz neuen Blick eröffnet.“

 

Text: FLMH | Fotos: ©WOLFGANG MÜLLER